Die Wortwarte
 
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Die Wortwarte - auf der Suche nach den Neuwörtern von morgen

Stichwörter:Neologismen, Wörter von morgen, Lexikographie

Die Wortwarte in neuem Design: Dank der Bemühungen von Christian Schröter aus Bonn erscheinen die Wortwarte-Daten nun in neuem Layout. Wir denken, dass dieses Layout die Lesbarkeit der Daten verbessert und freuen uns, wenn Ihnen dieses Layout besser gefällt als das bisherige. Für Anregungen sind wir wie immer dankbar !

Hier sind die Wörter von heute!

Mit der Auswahl neuer Wörter möchten wir nicht nur ihr mentales Lexikon in Form halten, sondern auch:

Wir hoffen, dass Sie in Zukunft viel Spaß mit unserem Service haben werden!

Alle bisher verzeichneten Wörter sind auch über die Wortliste abrufbar.

Lothar Lemnitzer und Tylman Ule

Unendliche Weiten

	
Neologismus: Wortneubildung, i.w.S. auch die ungewöhnliche
	sprachl. Verwendung eines Wortes; kommt normal z.B. im Traum vor,
	path. häufig bei Schizophrenie.

(Roche Lexikon Medizin)

	
Neologismus der; -, ...men: 1. (ohne Plural)
	Neuerungssucht, bes. auf religiösem und sprachlichem
	Gebiet. 2. sprachliche Neubildung. 

(Duden Fremdwörterbuch, 6. Auflage 1997)

	
Neologismus [Pl. Neologismen; griech. néos
	"neu", lògos "Wort"] (1) Neugebildeter sprachlicher
	Ausdruck (Wort oder Wendung), der zumindest von einem Teil der
	Sprachgemeinschaft, wenn nicht im allgemeinen, als bekannt empfunden
	wird, zur Bezeichnung neuer Sachverhalte, sei es in der Technik oder
	Industrie, oder neuer Konzepte, etwa in Politik, Kultur und
	Wissenschaft.  In formaler Hinsicht wird unterschieden zwischen (a)
	Bildung neuer Ausdrücke auf der Basis vorhandener morphologischer
	Mittel und Konstruktionsregeln ... (b) Bedeutungsübertragung ... und
	(c) Entlehnungen aus anderen Sprachen ..., wobei diese drei Quellen
	nicht immer exakt voneinander zu trennen sind ...; (d)
	Zusammensetzungen mit einer metaphorisch gebrauchten Konstituente" 
      

(Hadumod Bußmann; Lexikon der Sprachwissenschaft, 2. Auflage 1990)

Kommentar: Sicher ist es nicht meine Absicht, die Bildung von Neologismen in den Bereich des Pathologischen oder gar Schizophrenen zurücken. Diese Lesart, die auch in ähnlicher Form in dem Artikel von Bußmann aufgenommen wurde, ist sicher in einem medizinischen Lexikon angebracht.
Etwas mehr verwundert schon die "Neuerungssucht, bes. auf ... sprachlichem Gebiet", der das Duden Fremdwörterbuch einen so prominenten Platz einräumt. Die sich in diesem Ausdruck offenbarende Abneigung gegenüber allem Neuen in der Lexik der Sprache hat sicher in früheren Zeiten eine Rolle gespielt. Der gegenwärtigen Lexikographie ist eine solche Haltung fremd, wie wir noch sehen werden.

Der einzig ernst zu nehmende Versuch einer Definition ist der von Bußmann, dem wir uns nun ausführlicher widmen wollen. Zunächst ist der Ausdruck Neologismus keine Entlehnung aus dem Griechischen, sondern eine "neoklassische" Entlehnung aus dem französischen, wie Kinne zeigt (Kinne 1996: 33).

Der erste Satz der Definition benennt den Prozeß der Lexikalisierung. Nach dieser Definition ist ein Neologismus ein lexikalisches Zeichen, das sich in der Sprechergemeinschaft bereits etabliert hat und womöglich bereits, als Neologismus, lexikographisch registriert wurde.
Dieser Deutung schließe ich mich nicht an. Ich bin an den Wörtern interessiert, die so neu sind, dass Unsicherheiten über ihre Form und auch gelegentlich über ihren Inhalt bestehen, also in der Phase vor ihrer Lexikalisierung. Ich werde dies weiter unten ausführen. Ich verwende den Ausdruck Neologismus also auch, um neue Ausdrücke vom Zeitpunkt ihrer Entstehung bis zum Zeitpunkt ihrer lexographischen Behandlung zu benennen, d.h. in einem weiteren Sinn.

Im weiteren führt Bußmann eine Klassifizierung von Neologismen nach ihrer Form ein. Kinne führt eine m.E. präzisere und für unsere Zwecke nützlichere Unterscheidung ein (Kinne 1996: 343ff). Nachdem er Neologismus von Okkasionalismus und anderen sprachlichen Neuerungen abgegrenzt hat, unterscheidet er auf der obersten Ebene zwischen Neulexem und Neubedeutung (vgl. die Übersichtsgrafik in Kinne 1996: 347).

Die Unterscheidung ist insofern relevant für unsre Arbeit, als wir ausschließlich neue Lexeme extrahieren. Es liegt außerhalb unserer momentanen Möglichkeiten, neue Verwendungsweisen oder Bedeutungen existierender sprachlicher Zeichen zu erkennen und zu dokumentieren. Auf die weitere Untergliederung der Klasse der Neulexeme werde ich weiter unten eingehen. Da hier neue Wörter im Stadium ihrer Entstehung beobachtet und dokumentiert werden, ist eine Trennung zwischen Okkasionalismus und Neologismus ebenfalls nicht möglich. Die Zeit wird zeigen, welche Ausdrücke den Prozess der Lexikalisierung durchlaufen und welche schnell wieder in Vergessenheit geraten.

Entdecktes und Unentdecktes

Ich habe eine Werbeblatt des Langenscheidt Verlags vor mir liegen. Auf diesem Blatt wird für ein neues deutsch-englisches Wörterbuch geworben. Der Inhalt dieses Blattes besteht aus einer "kleinen Auswahl des hochaktuellen Wortschatzes". Einige wenige dieser Wörter wirken mittlerweile antiquiert (schnurloses Telefon, Stadtindianer, Oberbonze, für Gen-Abdruck scheint sich nun genetischer Fingerabdruck durchgesetzt zu haben).

Die Liste machte mir aber dreierlei deutlich:

  1. Neue Dinge und Sachverhalte machen neue Benennungen erforderlich.
  2. Des öfteren entstehen zunächst mehrere konkurrierende Benennungen, von denen sich auf Dauer eine Benennung durchsetzt. Andere Benennungen verschwinden.
  3. Manche Dinge und Sachverhalte, z.B. modische Sportgeräte, verschwinden nach kurzer Zeit wieder und mit ihnen ihre Benennungen.

Wie dynamisch der Wandel im Wortschatz einer Sprache ist, das zeigt ein Blick in eine Untersuchung aus den frühen siebziger Jahren. Harlass und Vater haben bereits damals den Rechner (oder sagt man Computer?) dazu verwendet, um eine große Menge von Zeitungstexten nach Wörtern zu durchforsten, die nicht in den einschlägigen Wörterbüchern des Deutschen, in ihren damaligen Auflagen, verzeichnet waren. Hier eine kleine Auswahl:

  • Autoboot
  • Elektronenblitz
  • Kettenladen
  • Perlonspitze
  • Etuikleid
  • Plattenwechsler
  • Schwedenliege
  • Vierspurgerät
  • Wabenklinge

Neben diesen heute ungebräuchlichen Wörtern (und Dingen), aus denen uns der Geist der 60er Jahre anblickt, verzeichnen die Autoren Ausdrücke für Dinge und Sachverhalte, die uns auch heute vertraut sind:

  • Bildschirm
  • Klarsichtfolie
  • Leitplanke
  • Schaumstoff

Die heute noch gebräuchlichen "Neuwörter" sind in den Listen von Harlass und Vater in der Mehrzahl (vgl. Harlass / Vater 1974).

Wir haben bereits einen Grund, wahrscheinlich den wichtigsten, genannt, der zur Prägung von neuen Ausdrücken führt: neue Dinge oder Sachverhalte müssen benannt werden. Ein weiterer wichtiger Grund ist die Prägung eines neues Ausdrucks für Bekanntes und bereits Benanntes mit dem Ziele, der Benennung eine neue stilistische Note zu geben: Banker klingt besser als Bankangestellter, Low-Cost- hat, als Wortbestandteil einen weniger schlechten Ruch als Billig-. Drittens können Mehrfachbenennungen zur außerordentlich feinen Differenzierungen der Verwendungszusammenhänge führen. Beim Wortpaar Computer, Rechner scheint sich eine Differenzierung anzubahnen, nach der Rechner eher im fachlichen Diskurs, Computer in der Alltagssprache verwendet wird. Schließlich kann die Lust an der Spielerei mit Wörtern zu sehr schillernden und im gegebenen Zusammenhang treffenden Neubildungen führen: der Standort Deutschland, dessen ständiger Beschwörung man überdrüssig ist, wird im Zusamenhang mit Benzinverknappung zum Stillstandort. Solche wortschöpferische Tätigkeit überschreitet gelegentlich die Grenze zur Poesie. Die so entstehenden Wörter sind meistens Eintagsfliegen (Okksasionalismen), nur wenige finden Eingang in die Wörterbücher (in der oben erwähnten Wortliste des Langenscheidt Verlags finden sich Realo und Fundi, ein schöpferischer Umgang mit den Regeln der Wortbildung.

Der Prozess der Lexikalisierung

Die meisten Neuschöpfungen sind zunächst provisorisch und mit großen Unsicherheiten behaftet: heißt es der Engine oder die Engine. Recycelst du deinen Kunststoff oder recyclest du ihn? Schreibt man Decoder oder Dekoder? Neu eingeführte Ausdrücke werden in Texten oftmals mit Anführungszeichen versehen, die man ebenfalls als Ausdruck der Distanz oder der Benennungs-Unsicherheit des Autors / der Autorin der Neubildung gebenüber betrachten kann. Wenn die Benennung an einen neuen Sachverhalt oder Gegenstand gebunden ist, dann wird der Ausdruck auch schon mal im gleichen Text mit einer Definition (in Parenthese) versehen. Mit zunehmender Häufigkeit der Verwendung bilden sich Konventionen heraus, die die Gebrauchsunsicherheiten beseitigen. Das Wort wird zudem in den deutschen Wortbildungsprozeß einbezogen (rüberfaxen, Rohstoffrecycling, downgeloadet etc.). Mit zunehmender Verwendungshäufigkeit und Stabilität geht das neue Wort in den Besitz der Sprechergemeinschaft über, in vielen Fällen auf Kosten paralleler Benennungen: wir sind möglicherweise mitten in einem Prozeß, in dem Kids die deutsche Form Kinder verdrängt - meine Suchmaschine liefert mir 86 000 deutsche Seiten zum Suchwort Kids und 770 000 deutsche Seiten zum Stichwort Kinder.

Der Prozess der Lexikalisierung ist abgeschlossen und "abgesegnet", wenn der betreffende Ausdruck in die gebräuchlichen ein- und zweisprachigen Wörterbücher aufgenommen wurde.

Die Umrisse neuer Wörter

  • Genuine Neuschöpfungen als neuartige Zusammensetzungen aus dem Bestand des im Deutschen gebräuchlichen Alphabets sind eher selten. Am ehesten haben Produktnamen die Chance, als generische Bezeichner in den Sprachbestand überzugehen ("Nogger dir einen").
  • Ableitungen aus existierenden lexikalischen Elementen, der oft einhergeht mit einem Wechsel der Wortart, sind eine weitere Quelle (Fax --> faxen, erweitert auch rüberfaxen etc., oder auch faxbar in: Die Vorlage ist nicht faxbar). Auch Ableitungen aus bisher nicht existierenden Wortstämmen sind hier möglich (angeknockt, ausgetalkt). Aus dem ebenfalls recht neuen Analyst wird die Eigenschaft analystisch gebildet, sicher auch mit der klanglichen Nähe zu analytisch im Hinterkopf (analystischer Verstand).
    Ein Sonderfall dieses Prozesses ist die Verwendung reihenbildender Wortteile. Hervorzuheben sind hier die Präfixe. Einige längst etablierte Präfixe dieser Art sind super-, Mini-, Billig-. Bekannte Suffixe sind -krise, -vorstand. Jede/r von Ihnen wird spontan eine Reihe von Wörtern mit diesen Wortbestandteilen bilden können oder zumindest erinnern. Auch dieser Teil des Lexikons erfährt gelegentliche Auffrischungen. Aus dem Computerjargon ist das Präfix mega- in die Allgemeinsprache übergegangen, das Präfix giga- ist gerade im Kommen.
  • Die produktivste Art der Bidung neuer Wörter ist im Deutschen sicher die Komposition. Die Menge möglicher Komposita ist im Deutschen unendlich, da alle möglichen offenen Klassen zu neuen Wörtern zusammengebunden werden können (einhunderachtundvierzigfacher Betrug etc.). In diesem Bereich ist es am schwersten, die Gelegenheitsbildungen von den stabilen und sich allmählich im Lexikon der Sprechergemeinschaft etablierenden Ausdrücken zu trennen. Am meisten Chanchen haben die Ausdrücke, die relevante und die Zeit überdauernde neue Aspekte unseres Lebens bezeichnen (Internetrecht) oder die als witzige und / oder treffende Formulierungen weitere Verbreitung finden (Waschbrettbauch, Beliebigkeitskanzler).
    Bei der Bildung von Komposita kann man von der rein formalen Seite zwei Verfahren unterscheiden:
    • Die Integration der Bestandteile, die, gelegentlich mit einem Fugenmorphem, unmittelbar zusammengefügt werden (Börsenrebell, Deutungshorizont)
    • Das Hintereinanderschalten der Wortbestandteile mit Hilfe von Bindestrichen (Build-to-order-Fertigung)
    Die Bedingungen der Verwendung von Bindestrichen sind sicher der näheren Untersuchung wert. Die Verwendung von Bindestrichen scheint mir von größerer Distanz zu komponierten Gebilde zu zeugen. Abgesehen davon verbietet sich die Integration manchmal auch aus ästhetischen Gründen. Die neuen amtlichen Regeln für die Rechtschreibung ermuntern deshalb zur Verwendung des Bindestriches. Es kommt hin und wieder zu Doppelschreibungen, die ebenfalls ein Indiz für den noch nicht vollständig etablierten Gebrauch sind (Bio-Tech- vs. Biotech-).
  • Die Übernahme von Wortgut anderer Sprachen. Besonders beliebt sind gegenwärtig (d.h. seit Ende des zweiten Weltkrieges) Übernahmen aus dem angelsächsischen Raum, die Anglizismen. Aus dem Gebrauch in der internationalen Wissenschaftler- und Technikergemeinschaft, die das Englische zu ihrer Leitsprache erkoren hat, dringen viele Wörter in den Sprachgebrauch des Alltags ein, ohne eine Verdeutschung zu erfahren. Dies wird von vielen sprachbewussten Menschen bedauert und stellt in der Tat viele Menschen, die des Englischen nicht mächtig sind, vor Verstehensprobleme. Dies dürfte allerdings bei Neuwörtern meistens der Fall sein. Was ein Deutungshorizont oder was Datenversand ist, das erschließt sich dem geneigten Leser erst aus dem Zusammenhang. Lehnwörter aus Sprachen, die einen hohen Prestigewert haben, werden aber auch übernommen, um der damit bezeichneten Sache einen besonderen Glanz zu geben. Manche Wörter werden auch kreativ der Leitsprache nachempfunden, ohne in derselben Weise in der Gebersprache verwendet zu werden (unser Handy ist in den angelsächsischen Ländern nur als "mobile phone" oder "cellular phone" bekannt). Man kann die daraus entstehenden Doppelbenennungen (z.B. Kanzel vs. Cockpit) als Verschwendung verachten, man kann sie aber auch als Reichtum und Ausgangspunkt für feinere Differenzierungen im Gebrauch ansehen. Ein sogenannter Anglizismen-Index ist beim - sprachpuristisch orientierten - "Verein deutsche Sprache" online einsehbar.
  • Weitere Wortbildungsmittel wie das Abschneiden von Wörtern (Tech für Technologie) oder Abkürzungen, die wie Wörter gesprochen werdern (AIDS) sind eher selten. Noch seltener sind im Deutschen die Überblendungen nach dem angelsächsischen Muster Brunch, das aus den Wörtern breakfast (Frühstück) und Lunch (Mittagessen) gebildet wird.

Wie wird man bei uns Neuwort-Kandidat

Als Quellen verwenden wir die Onlineausgaben einiger Zeitungen

  • Spiegel,
  • ZEIT,
  • Handelsblatt,
  • Financial Times Deutschland,
  • Süddeutsche Zeitung,
  • Tagesspiegel,
  • Rheinische Post

sowie zwei genuine Onlineangebote

  • heise.de,
  • Perlentaucher.

Wir versuchen, die Daten täglich auszuwerten, oder,wenn dies nicht gelingt, die Lücke zwischen zwei Auswertungen nicht so groß werden zu lassen, dass uns ein Wort entgehen könnte. Die Texte werden herangezogen, ausgewertet und die temporären Kopien nach der Auswertung wieder gelöscht. Was übrigbleibt sind Wortlisten und Textstücke mit den jeweiligen Wörtern im Mittelpunkt.

Die Wortlisten und Belege werden mit den Werkzeugen erstellt, die das Projekt "deutsches Referenzkorpus" anbietet.

Als Referenz für die Vorauswahl dient uns die Wortliste des "Deutschen Referenzkorpus", ein Korpus, das 120 Millionen laufende Wörter (Token) und ca. 2,3 Millionen verschiedene Wörter (Types) umfasst. Alles was in diesem Korpus vorhanden ist wird aussortiert.

Was übrigbleibt:

  • Wörter, die falsch geschrieben sind;
  • Wörter, die anders als gewöhnlich geschrieben wurden (z.B. Betel-Nuss statt Betelnuss. Wie man sieht fallen auch Wörter hierunter, deren Schreibung sich auf Grund der Rechtschreibreform verändert hat.
  • Alltägliche und wohlbekannte Wörter, die per Zufall bisher noch nicht in den Texten des Referenzkorpus aufgetaucht sind
  • Wörter, vor allem aus der gesprochenen Sprache, deren Schreibung nicht fixiert ist (boahh, iiiih etc.)
  • Neugebildete Wörter.

Nur Wörter der letzten Kategorie intessieren uns. Von diesen wiederum finden aber nicht alle Aufnahme. Es sind viele Wörter vorbei, von denen man sicher sagen kann, dass sie nur dieses eine Mal verwendet wurden oder die von ihrer Bildung her völlig uninteressant sind (sog. Okkasionalismen).

Ich wähle daher von Hand die mir interessant erscheinenden Neuwörter aus. So bleiben meist von über tausend Wörtern nicht mehr als zwanzig bis fünfzig Wörter übrig.

Eine Führung durch unser Angebot

Die von mir ausgewählten Wörter führe ich auf ihre Grundform zurück. Dies sind die Stichwörter (SW), auf die sich die Beschreibung bezieht.
Für alle Wörter gebe ich ihre Wortart an, bei den Substantiven das Genus (WA).
Bei den Substantiven gebe ich außerdem die Flexion an (FL), und zwar wie in den meisten Wörterbüchern durch die Eckformen Genitiv Singular und den Nominativ Plural. Ich gebe beide Formen auch bei den femininen Substantiven an, bei denen es im Singular regulär keine Veränderung der Form gibt. Man verzeihe mir diese Redundanz.
In Zukunft werde ich auch das Sachgebiet angeben, wobei ich mir über die Klassifikation noch nicht im Klaren bin.
Der Beispielbeleg (BSP) samt Quellenangabe (QUELLE) bildet das Herzstück der Beschreibung. In manchen Fällen kürze ich den Beleg auf das Wesentliche. Für eine gründliche Edition aller Belege fehlt mir leider die Zeit.
Manche Wörter versehe ich mit einem kurzen Kommentar (KO).

Alle bisher gesammelten und beschriebenen Wörter sind über eine Wortliste abrufbar. Alle Tageslisten sind außerdem archiviert und als Ganze abrufbar. Sollte sich das Klassifizieren in Sachgebiete bewähren, dann ist auf längere Sicht auch eine Gruppierung der Wörter nach Sachgebieten geplant.

Ich verstehe diese Arbeit als Teil der Dokumentation der Entwicklung der deutschen Sprache.

Ich bin dankbar für Hinweise auf neue interessante Quellen und für Rückmeldungen zu den Ergebnissen.

Warum Wortwarte

Es gibt Wetterwarten und Sternwarten. Nun gibt es auch eine Wortwarte. Zu den Aufgaben der Wetterwarten gehört es, die Entwicklung des Wetters zu beobachten und darüber zu berichten. Zu den Aufgaben der Wortwarte gehört es, die Entwicklung des deutschen Wortschatzes zu beobachten und darüber zu berichten. Es wurde gelegentlich darüber spekuliert, ob wir, die Autoren dieses Dienstes, Wortwarte seien. Nein, das sind wir nicht. Bei diesem Begriff stellen sich unschöne Assoziationen wie Blockwart ein, und auch gute Torwarte sind wir nie gewesen. Wir sind also nicht Drangsalierer oder gar Hüter des deutschen Wortschatzes, sondern Beobachter. Die Interpretation dieser Beobachtungen überlassen wir gern auch anderen.

Literatur zum Thema Neologismen(wörterbuch)

Mit dieser Liste strebe ich keine Vollständigkeit an. Ich erwähne lediglich die Literatur, die im Kontext der Wortwarte von Interesse ist. Weitere Literaturstellen können über die angegebenen Arbeiten recherchiert werden.

Wortsammlungen

12,000 Words: A Supplement to Webster's Third New International Dictionary, Springfield, MA, 1986

Algeo, John, Fifty years among the new words : a dictionary of neologisms, 1941 - 1991, Cambridge:CUP, 1991

John Ayto, Longman Register of New Words London:Longman, Vol 1: 1989; Vol 2: 1990

The Barnhard Dictionary Companion, URL: http://www.highlands.com/Lexik/bdc.html

Burchfield, Robert, A Supplement to the Oxford English Dictionary, 4 Vol., Oxford 1972-1986

Butler, S., Macquarie Dictionary of New Words Macquarie University 1990

Harlass, Gertrude / Heinz Vater (1974), Zum aktuellen deutschen Wortschatz Tübingen 1974

Diese Untersuchung ist eher der Morphologie und der Wortbildung verpflichtet als lexikographischen Zielen. Dennoch ergibt sich eine interessante, nach Wortbildungstypen geordnete Neologismensammlung.

Heberth, Alfred, Neue Wörter. Neologismen in der deutschen Sprache seit 1945. Wien 1977

Wörtersammlung ohne klares lexikographisches Konzept, jedenfalls wird keines präsentiert. Die einzelnen Artikel werden grafisch wenig ansprechend präsentiert. Manches Eintragswort wirkt heute komisch, vieles ist aber durchaus heute noch geläufig.

Herberg, Dieter / Michael Kinne / Doris Steffens, Neuer Wortschatz. Neologismen der 90er Jahre im Deutschen. Berlin:deGruyter 2004

Das Buch ist ein Ergebnis eines Projekts am Institut für Deutsche Sprache, dass man als "retrospektive Neologie" bezeichnen könnte.Erfasst wird Neues im Wortschatz der 90er Jahre. Insofern ist dieses Buch eine ideale Erweiterung der "Wortwarte", die im Jahr 2000 beginnt. Der Umfang ist mit 700 Artikeln gering, die einzelnen Artikel sind aber umfangreich, solide gearbeitet und in angenehmem Layout präsentiert.

Weitere Literatur

John Ayto, Lexical Innovation: Neologism and Dictionaries. In: Gunilla Anderman / Margeret Rogers (eds): , Words,Words,Words. The Translator and the Language Learner., Clevedon:Multilingual Matters, 1996, S. 63-68

Barnhart, Robert / Clarence Barnhart, The Dictionary of Neologisms, In: Hausmann / Reichmann / Wiegand / Zgusta (eds.), Wörterbücher. Dictionaries. Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Teilband 2, Berlin/New York:de Gruyter, 1990, S. 1159-1166

Dipper, Stefanie/ Hannah Kermes/ Esther König-Baumer/ Wolfgang Lezius/ Frank H. Müller/ Tylman Ule (2002), DeReKo - Deutsches Referenzkorpus. Final Report (Part 1), Tübingen 2002

Dieter Herberg: Der lange Weg zur Stichwortliste. Aspekte der Stichwortselektion für ein allgemeinsprachliches Neologismenwörterbuch. In: Gisela Zifonun (Hrsg.): Ansichten der deutschen Sprache. Festschrift für Gerhard Stickel zum 65. Geburtstag, Tübingen:Narr 2002, S. 237-250

Herberg berichtet erneut und anknüpfend an seinen Beitrag auf der 36. Jahrestagung des Instituts für deutsche Sprache über das lexikographische Projekt "Neologismen der Neunziger Jahre". Die Arbeitsergebnisse sollen in das elektronische "Internet-Wörterbuch" elexiko einfließen.
Gegenstand dieses Artikels ist die Lemmaselektion. Herberg erläutert, nach welchen Kriterien eine erste manuell und korpusbasiert erstellte Lemmaliste von 6000 Einträgen auf 800 Einträge reduziert wurde. Als Selektionskriterien nennt er die vollständige Integration des Lexems in das deutsche Sprachsystem (Flexion etc.), die tatsächliche Verbreitung des Lexems in den Neunziger Jahren sowie seine Zugehörigkeit zur Allgemeinsprache. Anhand der Lemmastrecke "A" diskutiert Herberg das Ergebnis des zweiten, restriktiveren Selektionsprozesses. Er vergleicht die Lemmaliste dieses Abschnitts mit der Lemmaliste eines "Trendwörterbuchs" sowie mit der Liste eines Spezialwörterbuchs "New Economy", um vor diesem HIntergrund Aspekte wie die Zugehörigkeit zur Allgemeinsprache transparenter zu machen. Insgesamt ist der Prozess der Lemmaselektion meist nur annähernd präzise zu operationalisieren, er enthält immer eine subjektive Komponente. Auch Herberg kann da keinen Weg zu einer stärkeren Objektivierung weisen.

Lemnitzer, Lothar, Ist das nicht doch alles das Gleiche? Regeln und Distanzmaße zur Berücksichtigung orthographischer Idiosynkrasien bei der Abbildung von Textsegmenten auf lexikalische Einheiten. In: Lea Cyrus / Hendrik Feddes / Frank Schumacher / Petra Steiner (eds.), Sprache zwischen Theorie und Technologie. Festschrift für Wolf Paprotté zum 60. Geburtstag, Wiesbaden:DUV, 2003, S. 135-148.

Müller, Wolfgang, Schlammschlacht. Schon gehört? Ein Desiderat. Das deutsche Neologismenwörterbuch., In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht. 60 (1987) 82-90

Corinna Peschel, Zum Zusammenhang von Wortneubildung und Textkostitution. Tübingen:Niemeyer 2002 (= Reihe Germanistische Linguistik 237)

Starke, Günter, Droht uns eine Bindestrich-Inflation?, Muttersprache 103 (1993), S. 50-60

Gerhard Stickel (Hg.): Neues und Fremdes im deutschen Wortschatz. Aktueller lexikalische Wandel. Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache 2000. Berlin / New York 2001

Das Brisante an dem Haupttitel dieses Tagungsbandes ist aber interessanterweise die koordinierende Konjunktion, das und. Die Befürchtung deutschtümelnder Sprachhüter ist doch, dass das Neue zugleich das Fremde ist, der Titel des Bandes ist aber hoffentlich so zu lesen, dass es um zwei verschiedene Aspekte des lexikalischen Wandels der deutschen Sprache geht, nämlich um die Anreicherung des Wortschatzes durch Neues (Neologismen) und um den Umgang der Deutschen mit enlehntem, also zunächst fremdem, Wortgut. Alan Kirkness (Europäismen / Internationalismen im heutigen deutschen Wortschatz. Eine lexikographische Pilotstudie) zeigt an Hand einer wörterbuchgestützten Pilotstudie, die auf den lexikalischen Wandel der deutschen Standardsprache in den letzten dreißig Jahren bezogen ist, dass das neue (hier: die erstmals in den untersuchten Wörterbüchern verbuchten lexikalischen Einheiten) nur zum Teil, wohl aber zu einem steigenden Teil, "Fremdes", also aus anderen Sprachen Entlehntes ist.
Dennoch stellt sich die Frage, wie man als germanistische LinguistIn bzw. LexikographIn mit den Wandel im Wortschatz des Deutschen umgeht. Zum einen hat die Germanistik als die Disziplin, deren Gegenstand die deutsche Sprache ist, eine Chronistenpflicht zu erfüllen. Da es in der deutschen Lexikographie nie an Fremdwörterbüchern mangelte, ist die Lücke eher bei der systematischen Dokumentation des Neuen zu beklagen. Diesem Missstand soll ein ambitioniertes Projekt am Instititut für deutsche Sprache abhelfen. Dort wird in einem Projekt retrospektiver Neologismenlexikographie ein lexikalische Ressource geschaffen, die einen Ausschnitt des neuen Wortschatzes der 90er Jahre verzeichnet (s. den Artikel von Dieter Herberg: Neologismen der Neuzigerjahre). Ob das Ergebnis dieser Arbeit ein allgemeineres Informationsbedürfnis befriedigt darf m.E. bezweifelt werden. Ein Gutteil des in diesem Projekt registrierten Wortschatzes hat sicher Eingang in die einsprachigen Wörterbücher der deutschen Standardsprache gefunden , vor allem in den Rechtschreibduden, der sich ja in immer kürzeren Intervallen zu erneuern scheint und von Auflage zu Auflage mehr Stichwörter verzeichnet. Ohne Zweifel wird das Ergebnis dieses Projekts, eine hoffentlich online verfügbare Datenbasis, das Informationsbedürfnis der Fachöffentlichkeit und der speziell an Neologimsen Interessierten befriedigen. Das Projekt ist am Institut für deutsche Sprache, das über umfangreiche Textkorpora und ein gut strukturiertes lexikalisches Informationssystem verfügt, sicher gut aufgehoben.

Teubert, Wolfgang (Hg., 1998), Neologie und Korpus. Tübingen (Studien zur deutschen Sprache 11)

Der Band enthält Beiträge zu Konzept und Erstellung eines Neologismenwörterbuchs am Institut für deutsche Sprache. Es handelt sich um ein Unterfangen der retrospektiven Neologie, es sollen die Neologismen der 90er Jahre erfasst werden. Der Band enthält die folgenden Beiträge:

  • Barz, Irmhild: Neologie und Wortbildung. Zum Neuheitseffekt von Wortneubildungen. (Eine empirische Untersuchung, die der Frage nachgeht, welche Wortneubildungen von Sprechern tatsächlich als neu empfunden werden)
  • Belica, Cyril: Statistische Analyse von Zeitstrukturen in Korpora. (die Autorin versucht mit statistischen Mitteln die Häufigkeitsentwicklung von Neuwörtern in den Korpora des Untersuchungszeitraum zu ermitteln und so ein Profil zu erstellen)
  • Herberg, Dieter: Neues im Wortgebrauch der Wendezeit. Zur Arbeit mit dem IDS-Wendekorpus
  • Kinne, Michael: Der lange Weg zum deutschen Neologismuswörterbuch. (erweiterte Fassung des Aufsatzes, der 1996 in der "deutsche Sprache" erschienen ist)
  • Sinclair, John: Korpustypologie. Ein Klassifikationsrahmen
  • Teubert, Wolfgang: Korpus und Neologie